Advent – vierhändig

Der letzte Monat des Jahres bricht an, überall werden Schoko- und sonstige Adventskalender geöffnet, es weihnachtet auf Straßen und in Geschäften und da, wo Ruhe einkehren soll, verbreitet sich Geschäftigkeit.

Wir schließen uns dem nicht an. Wir erzählen Geschichten. Zwei, um genau zu sein. Eine besteht aus Bildern, eine aus Text. und wir wären nicht wir, wenn wir es uns dabei nicht etwas schwer machen würden.

Die Textgeschichte startet mit dem ersten Satz aus Charles Dickens Weihnachtsgeschichte. Die Bildgeschichte beginnt mit einem Dezemberbild aus einem unserer Archive. was vom letzten Jahr, denn jeder Start ist eben ein Anfang und man kann auch mittendrin anfangen, wenn man es denn will. Nach 24 Tagen wissen wir, wo es hinläuft. Oder eben auch nicht.

Experimentieren, frei sein in Gedanken und im Gestalten ist eine unserer Prämissen, die Regeln machen es konkreter, greifbarer und verhindern ein Über-die-Stränge schlagen.

Start

Marley war tot, damit wollen wir anfangen.

  1. Dezember

Niemand hatte damit gerechnet und es warf ihre Pläne wieder einmal durcheinander. Jetzt mussten sie sich um Beerdigung und Nachlass kümmern, was Streit geben dürfte.

2. Dezember

Nichts dergleichen geschieht, aus Gier beschließen sie einheitlich, Marley in der Kühltruhe „ruhen“ zu lassen.  Das Leben darf luxuriös weiter gehen, Erleichterung macht sich breit. 

3. Dezember

Doch die alte Haushaltshilfe sucht neugierig und ist nicht mit angeblichen Reiseplänen zufriedenzustellen. Sie stellen ihn, steif und kalt, fürs Erste in den geräumigen Garderobenschrank.

4. Dezember

Die eigentliche Witwe Doreen beschließt, einen ausgiebigen Einkaufsbummel zu unternehmen und verabredet sich mit ihren Freundinnen. Zu später Stunde und sehr angeheitert kehrt sie zurück.

5. Dezember

Sie hängt ihren Mantel an Marleys ausgestreckte starre Hand. „Dankeschön“, nuschelt sie, als ihre Schwägerin hektisch die Schranktür zudrückt und sie in den Salon zieht.

6. Dezember

Doreen wehrt die lästige Schwägerin ab, ruft „Charly!“, und schnappt sich den Arm des jungen Mannes, der im Schatten der Eingangstür wartet. „Wir sind müde!“

7. Dezember

Doch der blickt wie starr in den Schrank und verschluckt sich fast an der lässig angezündeten Zigarette. Für die Geheimhaltung scheint ein weiterer Mord unerlässlich.

8. Dezember

Schwägerin Mona wirft die Haustür ins Schloss. Charlie hat sich schnell gefangen. Mit einem fiesen Lächeln zu Mona lässt er sich von Doreen leidenschaftlich küssen.

9. Dezember

Und die grinst zurück, macht ein Foto mit dem Handy und verschwindet im Salon. Sollen sie doch machen, denkt sie und nimmt sich einen Whiskey.

10. Dezember

Die in Kissen versunkene Verwandtschaft schreckt auf. „Was ist passiert?“ ruft Marleys junggebliebene Schwester. „Kommt schon das Taxi?“ und will nach ihrer kleinen Reisetasche greifen.

11. Dezember

„Längst abgefahren“, ächzt der graumelierte Mittvierziger Klaus, der sich erfolgreich eingeheiratet hat. „Lass uns noch was trinken“, grinst er und greift Mona an den Po.

12. Dezember

Mona tätschelt Klaus die Glatze. „So geht es nicht weiter. Wir müssen etwas unternehmen.“ spricht Mona in die Runde. Ein Poltern im Flur unterbricht sie.

13. Dezember

Sie stürzen eilig aus dem Zimmer und sehen Doreen auf dem Rücken liegen, Marley über sich und Charlie kreidebleich danebenstehen. Klaus richtet rasch sein Toupet

14. Dezember

Da klingelt es an der Tür. Mona legt den Finger auf den Mund und deutet energisch allen, den Atem anzuhalten und sich nicht zu bewegen. 

15. Dezember

Voller Entsetzen hören sie kurz darauf, wie sich der Schlüssel langsam im Schloss dreht. Die Tür schwingt auf, Mona schreit und Klaus fällt in Ohnmacht.

Wir hören auf – es ist Unsinn geworden. Vielleicht erschließen wir in einiger Zeit den Sinn oder Unsinn unserer Ergebnisse. Derweilen wechseln wir einfach – weil wir es können – und schenken uns Freiheit.